Die LZ Open ist das Jahresauftakt-Summit der Lebensmittel Zeitung und wurde letztes Jahr zum ersten Mal durchgeführt. Wir wollen hiermit von einer gelungenen Veranstaltung berichten, jedoch auch die kritischen Untertöne nicht vergessen.

Mit einem besonderen Kritikpunkt möchten wir beginnen. Von der Anmoderation der Veranstaltung an war ein Unternehmensname permanent präsent und hat einen aus unserer Sicht viel zu großen Raum eingenommen. Besonders interessant ist dieser Sachverhalt auch deshalb, da kein Vertreter von Amazon als Redner oder Gast (jedenfalls nicht laut Teilnehmerliste) auf der Veranstaltung vertreten war.

 Amazon ist zweifelsohne ein Gigant mit einer enormen Marktmacht und unvorstellbaren Möglichkeiten. Jedoch stellen wir kritisch die Frage, ob dieser enorme Respekt nicht einfach zu groß ist, zumal auch Amazon sowohl beim Thema Lieferung von Frischelebensmitteln als auch bei der letzten Meile vor den gleichen Hürden steht, wie alle anderen auch. Und trotz der finanziellen Möglichkeiten ist es auch Amazon bis jetzt nicht gelungen, diese Hürden zu nehmen. Mit der ehrfürchtigen Haltung vor Amazon vertun alle anderen Unternehmen die Chance, aus dem Schatten eines Riesen herauszutreten und selbst mit einer bahnbrechenden Entwicklung zum Riesen zu werden. Denn wer die letzte Meile beherrscht, beherrscht den Onlinehandel. Aber derzeit wirkt es, als würden sich alle mit dem 2. Platz zufrieden geben, sobald Amazon das Marktsegment als interessant erachtet. Gerade der Lebensmittelmarkt befindet sich zur Zeit in einem solch extremen Wandel, das altbewährte Konzepte oft nicht mehr funktionieren Und jeder Unternehmer sollte im Rahmen seiner Macht die Chance nutzen, sich mit neuem zu positionieren, aus den Fehlern der anderen zu lernen und den Mut haben, neue Ideen auszuprobieren. Und das war auch eine wichtige Kernbotschaft der Veranstaltung: Investiert in Innovationen und Entwicklungen. Denn schon seit den 1970er Jahren heißt es passend: „Wer kämpft kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren.“

Sehr deutlich hat diesen Punkt Frank Thelen herausgestellt. Er würde den Begriff Digitalisierung gerne wieder streichen und stattdessen den Begriff der Innovationskultur wieder etablieren und die Idee der Sprunginnovationen stärken. In seinem Vortrag Tech-Trends und Visionen: Innovationen und Impulsgeber für die Wirtschaft von morgen stellte er die aus seiner Sicht zukunftsweisenden Bausteine für Innovationen vor. Dabei sieht er den Begriff der KI (künstliche Intelligenz) als overhyped Buzzword, da Computer hier bisher nur in den Bereichen unterstützen können, für die sie auch trainiert wurden. Im Gegensatz dazu sieht er die richtungsweisende Zukunft in der Entwicklung von Robotern. Die Roboter-Technologie sei dabei auch für den deutschen Mittelstand sehr interessant, da sie schnell skalierbar, kostensparend einsetzbar sei und die Automatisierung vieler Bereiche ermögliche.

Gleichzeitig weist er darauf hin, dass wir in Deutschland Technologie als Risiko, teilweise sogar als Bedrohung sehen, und nicht als uns gebotene Chance. Auch wir beobachten, dass viele Unternehmer aus einer trügerischen Sicherheit heraus eine gefährliche Bestandswahrung betreiben und sich teilweise vor Innovationen und technischen Neuerungen verschließen. Klar ist zwar, dass nicht jede Entwicklung und jeder Fortschritt zum eigenen Unternehmen passen. Jedoch sollte bei der strategischen Planung immer wieder ein Blick darauf geworfen werden, was aktuell geschieht und wo die Reise hingehen könnte. Technologie frühzeitig und sinnvoll zu implementieren sichert letztlich Wettbewerbsvorteile.

Auch interessant:   Zwei Tage Zukunft der Lebensmittelbranche in Berlin

Auf der LZ Open wurde auch sehr deutlich angemahnt, dass Deutschland den Titel „Land der Pioniere“ einfach abgegeben habe und nicht mehr zu wissen scheint, wer eigentlich entscheidet, was verkauft wird: der Kunde. Dies wurde immer wieder und insbesondere in den Gesprächen auf der Bühne mehr als deutlich. Unter anderem stellt Christoph Kappes von EDEKA Feneberg die Frage zur Diskussion in den Raum, was eigentlich der Kunde will und wer eigentlich DER Kunde sei.

Verena Bahlsen, die Gründerin von HERMANN‘S, formuliert eine weitere Schwachstelle sehr deutlich: Geschäftsführer von Unternehmen müssen aufhören ausschließlich in Gewinnen und Dividenden zu denken, sondern den Mut haben, in Innovationen zu investieren. Und genau hier sehen auch wir eine enorme Chance für den Mittelstand. Viele Unternehmen verfügen über die nötigen Mittel, um in die Zukunft zu investieren. Dennoch tun sie es meistens nicht, obwohl in vielen Fällen außerdem sogar Zuschüsse in Form von Fördermitteln zur Verfügung stehen.

Sven Seidel, Konzern-Vorstand Multichannel-Retail der Otto Group, hat dazu in seinem Vortrag Beyond Shopping fünf Thesen zur Zukunft des Handels aufgestellt, welche wir hiermit kurz wiedergeben wollen:

  1. Strategie richtig machen – Die Alternative planlos abzuwarten, was auf einen zukommt, ist keine gute Idee.
  2. Anpassungsfähigkeit – Die Marktteilnehmer müssen sich darauf einstellen, dass sie ihr Angebot ständig weiter entwickeln müssen. Somit müssen auch die internen und externen Strukturen so aufgebaut werden, dass Unternehmen ständig anpassungsfähig bleiben.
  3. Customer Centricity – Auch hier wird wieder das Augenmerk auf den Kunden gelegt. Eine These, auf die Methoden wie das Value Proposition Design oder Arbeitsphilosophien wie Design Thinking aufbauen.
  4. No Automation is no Option – Sich der Automation völlig zu verschließen, wird auf Dauer negative Folgen für das eigene Unternehmen haben. Jedes Unternehmen hat Bereiche, in denen eine Automation sinnvoll und auch notwendig ist. Hier gilt es, sich immer wieder kritisch zu hinterfragen, wo stehen wir und wo soll die Reise in Zukunft hin gehen.
  5. Great Retail – Händler sind keine reinen Verkaufsberater mehr. Viel wird es in Zukunft um eine kundenorientierte Experience Beratung gehen.

Auch auf der LZ Open setzt sich somit das Thema fort, welches wir in diesem Jahr auch auf der unmittelbar zuvor stattgefundenen Farm & Food 4.0 identifiziert haben: Der Kunde muss und wird wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. Sei es von der Entwicklung der Geschäftsmodelle über notwendige und zwingende, aber vor allem kundenorientierte Innovationen, bis hin zu dem strategischen Thema: Unternehmen müssen sich bewusst werden, welche Werte und welchen Kundennutzen sie vermarkten wollen.

Was uns außerdem gefreut hat: Als wichtiger Trend wurde das Thema Kollaboration – gemeint ist damit das Kooperieren und Zusammenarbeiten – vorgestellt. Gerade komplexe Aufgaben, wie z.B. die letzte Meile, lassen sich erfahrungsgemäß gemeinsam sehr viel besser lösen!

Ein paar Themen haben wir zwar vermisst, alles in allem war die Darbietung an Fachinformationen, insbesondere zur Zukunft des Handels, dennoch äußerst interessant. Wir freuen uns schon jetzt auf eine weitere zukunftsorientierte Veranstaltung im nächsten Jahr!