In der vergangenen Woche hat sich der Metro-Chef Olaf Koch in einem Interview mit Zeit-Online u.a. zum Onlinehandel mit Lebensmitteln geäußert. Wie kontrovers dieses Thema immer noch gesehen wird, wurde an den Diskussionen im Anschluss an das Interview deutlich. Insbesondere seine Aussage, dass Herr Koch in Bezug auf die Bedeutung des Onlinehandels mit Lebensmitteln, „ein bisschen Wasser in den Wein gießen muss“, wurde so verstanden, dass er dem Onlinehandel in dieser Branche keine große Rolle zuschreibt und  für den Kunden noch immer der Preis das ausschlaggebende Argument ist.

Als im Rhein-Main-Gebiet ansässiges Unternehmen und damit Genießer des Sauergespritzten (Apfelwein mit einem Schuss Sprudelwasser) haben wir das Wasser, welches Herr Koch in den Wein gegossen hat, bei einem Kaltgetränk etwas genauer beleuchtet. Dabei haben wir festgestellt, dass das Interview eine ganze Menge interessanterer Aspekte enthält, als die Aussage, dass der stationäre Handel gegenüber dem Onlinehandel perspektivisch unterschätzt würde.

Prinzipiell ist die Aussage, dass der stationäre Lebensmittelhandel auch in den nächsten Jahren nicht an Bedeutung verlieren wird, vollkommen richtig. Selbst, wenn die Prognosen zum Wachstum des Onlineriesen Amazon mit seinem Angebot Amazon Fresh um das Doppelte übertroffen würden, würde der Erfolg rein umsatztechnisch im Rauschen des deutschen Gesamtmarktes untergehen.

Richtig ist auch die Aussage, dass für die meisten Kunden der Preis das wichtigste Kaufkriterium ist und im Lebensmittelhandel die Treue der Verbraucher zu einem Händler überwiegend von der Attraktivität seiner Angebote abhängt.

Damit im Zusammenhang steht auch das aktuelle Problem, dass der Onlinehandel mit Lebensmitteln für Kunden derzeit noch teuer ist. Das ist allerdings nur auf den ersten Blick so und auch nur noch eine Frage der Zeit. Aktuell ist die Logistik, die hinter dem Onlinehandel mit Lebensmitteln steht, insbesondere bei frischen Lebensmitteln, noch nicht ausgereift. Sie befindet sich noch in der Entwicklung und ist deshalb teuer. Das wird sich mit der Zeit und einer sicherlich eintretenden Routine legen. Ein weiterer Punkt, ist die Tatsache, dass die in anderen Branchen bereits übliche „kostenlose Lieferung“ im Onlinehandel nicht „umsonst“ ist. Die Kosten für die Verpackung und den Versand werden schlichtweg bei der regulären Preisgestaltung mit einkalkuliert. Das wird im Lebensmittelhandel auch passieren. Auch dann, wenn der Preisdruck noch so groß ist.

Uns trieb beim Genießen unseres Sauergespritzten eher die Aussage von Herrn Koch um, der Lebensmittel nicht als „rationale Produkte“ einstuft, Technikprodukte aber schon. Würde diese Aussage zutreffen, hätten Marken wie Apple oder Porsche nie den Welterfolg erzielt, den sie heute haben. Diese Marken haben es geschafft nicht nur ein Produkt zu vertreiben sondern ein Gefühl mit zu verkaufen. Man denke an die ein oder andere Diskussion „Android vs. Apple“. In vielen Haushalten ist es üblich, sich im Vorfeld zum Kauf eines Smartphones oder Kühlschranks zu informieren, um eine Kaufentscheidung zu treffen. Eine Einkaufsliste mit notwendigen Lebensmitteln zu schreiben und zu überlegen, in welchem Supermarkt man diese kauft, ist ebenfalls ein sehr rationaler Prozess. Eben hier zeigt sich auch das Preisbewusstsein der Kunden.

Tatsächlich wird der Großteil der Lebensmittel seitens vieler Verbraucher sehr viel mehr als „rationales Produkt“ aufgefasst als ihr Smartphone, mit welchem sie sich zum Teil identifizieren und vor allem kommunizieren und Emotionen austauschen. Hier sind viele Menschen eher bereit mehr Geld auszugeben als sie es für Lebensmittel tun würden.

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Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel und finden sich in Verbrauchern, die auf hohe Qualität oder Regionalität achten, die Essen mit Genuss verbinden oder eine bestimmte Ernährungsphilosophie verfolgen, wie z.B. Veganer.

Letztlich ist es aber so, dass es im Lebensmittelhandel nicht „den Kunden“ oder „die Verbraucher“ gibt. Da jeder Mensch essen muss, ist die Zielgruppe ein komplexes Abbild unserer Gesellschaft. Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Vorlieben, essen unterschiedlich und kaufen unterschiedlich ein. Und das Ganze in der Regel auch noch tagesformabhängig. Das macht den Handel mit Lebensmitteln vielfältig, spannend und gleichzeitig kompliziert und damit oft schwer vorhersagbar.

In der heutigen Zeit, kann man der zunehmenden Komplexität an Kundenforderungen, regulatorischen Anforderungen und technologischem Fortschritt nur damit begegnen, dass man die eigentlichen Anforderungen und Wünsche der Kunden berücksichtigt. Genau das bestätigt auch Olaf Koch in seinem Interview. Dabei geht er auf die Kundengruppe der kleinen und mittleren Gastronomiebetriebe ein, indem er zusätzliche Werkzeuge anbietet, die dieser Kundengruppe einen Zugang zu einem modernen Warenwirtschaftssystem und einer digitalen Auslastungsplanung bietet. Die Metro wandelt sich somit vom reinen Lebensmittelanbieter zum Systemanbieter.

So werden  einerseits an den ein oder anderen Kunden weniger Lebensmittel verkauft, gleichzeitig wird dem Kunden ein Planungsproblem abgenommen, welches er bisher eher analog gemeistert hat. Bei einer passenden Preisgestaltung profitieren somit beide Seiten. Damit wird im Lebensmittelhandel etwas aufgegriffen, was sich seit einigen Jahren in anderen Branchen zunehmend in den Vordergrund drängt: der Kundennutzen.

Da jeder Mensch essen muss, hatte der Lebensmittelhandel bisher wenig Druck, sich über den Kundennutzen seiner Produkte Gedanken zu machen. Wer heute und zukünftig verkaufen möchte, muss sich aber mehr mit seiner Zielgruppe und deren Bedürfnissen auseinandersetzen. Sogar Discounterfilialen werden mit Kaffeeautomaten für die Kunden ausgestattet. Auch wenn  der Lebensmittelhandel mittelfristig weiterhin über das Ladengeschäfte erfolgt, müssen sich diese den Anforderungen ihrer Kunden stellen. Beispiele hierfür wären: die Prüfung der Verfügbarkeit bestimmter Produkte online ermöglichen, Möglichkeiten der Vorbestellung schaffen oder mehr Produktinformationen sowie individuelle Angebote sichtbar machen. Die damit verknüpfte Offline-Online-Verschmelzung wird beim Lebensmittelhandel schon sehr bald sehr sichtbar werden.

Und darauf stellen sich nicht nur die Händler ein. Auch Immobilienentwickler, die auf Gewerbeimmobilien spezialisiert sind, setzen auf moderne digitale Infrastruktur, die dem Handel zukünftig neben den Räumlichkeiten angeboten werden sollen, wie beispielsweise die Vorbereitung der Räume und Regale für NFC-Technologie.

Zur Beantwortung der Frage nach dem Kundennutzen müssen sich Hersteller und Produzenten in Zukunft klar positionieren: Produziert man für den Handel oder den Verbraucher? Um welche Art Händler oder welchen Typ Verbraucher handelt es sich? Oder alternativ: Warum kommt dieser Kunde zu uns? Was zeichnet uns aus und wie können wir uns darauf fokussieren? Diese Fragen wirken zwar banal, sind es in der Praxis aber nicht. Und ganz egal, ob online oder offline: An der Beantwortung der vorgenannten Fragestellungen werden sich die zukünftigen Händler im Lebensmittelhandel messen lassen.

Quellen und weiterführende Informationen:

http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-07/metro-chef-olaf-koch-digitalisierung-gastronomie-real-saturn-mediamarkt